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Die evangelische Kirche am Ölrain ist eine kleine Gemeinde, aber sie hat seit 150 Jahren eines der attraktivsten Kirchenhäuser im weiten Umkreis. Das Gebäude steht inmitten eines Parks mit altem Baumbestand und wurde im neugotischen Stil errichtet. Eine Allee führt direkt auf den Haupteingang zu. Wie immer man zu dem historisierenden Stil der Gründerzeit stehen mag, bis heute bietet der Entwurf ein stimmiges Gesamtbild. Begleitende Bauten wie das Pfarramt und der Pfarrsaal mit Wohngebäude wurden im 20. Jahrhundert dem Kirchenbau zur Seite gestellt, die Architektur war stets auf der Höhe der Zeit.
Wenn man das Innere des Kirchenbaues betritt, erkennt man die klaren Strukturen, das stimmige Volumen unmittelbar. Die ursprünglich neugotischen Details des Innausbaues mit Zierwerk im Dachstuhl, schwebender Kanzel und umlaufenden Balkonen sind im 20. Jahrhundert einer nüchternen Vereinfachung gewichen, die auf ihre Weise den protestantischen Geist der Gemeinde klar zum Ausdruck brachte. Eine mächtige Orgel wurde eingebaut, die das Rosettenfenster über dem Haupteingang jedoch leider abdeckt.
Vielleicht ist es die Ambivalenz aus historistischen Strukturen und nüchterner Innenraumgestaltung, vielleicht ist es die Summe zahlreicher Umbauten der letzten 150 Jahre, die einen etwas ratlos macht, wenn man den Raum betrachtet.
Wir schlagen daher vor, mit sanften Maßnahmen dem Innenraum Wärme, Flexibilität und Feinheit zu verleihen.
Die Wände werden von allen punktuellen Einbauten und allem Zierrat befreit, es wird Ihnen ihre Flächigkeit zurückgegeben. Sie werden mit Kalkfarbe geschlämmt. Die Apsis wird als Raum wieder hergestellt, er bereichert das Angebot an feierlichen Räumen ohne eine spezielle Nutzung einzufordern. Die Bänke werden ausgebaut, sie müssen einer beweglichen Möblierung weichen. Auch die liturgischen Möbel werden beweglich ausgeführt.
Es wird in der ganzen Kirche ein einziger durchgehender Boden aus rohen Eichendielen eingebaut. Es gibt keine Hierarchien mehr und keine Stolperschwellen. Das Material unterstützt die Akustik und hält im Winter die Füße warm. Im Sommer darf man auch barfuß in der Kirche sein.
Von der Decke hängen Schnurvorhänge, die die alten Proportionen zwar erkennen lassen, gleichzeitig aber die Dimensionen des Raumes relativieren und das Licht einfangen. Es entsteht ein neuer Horizont im Raum, der auch von Kunstlicht in Form punktueller Pendelleuchten unterstützt wird.
Die Wände des Innenraumes erhalten eine kommunikative Dimension. Das Wort als tragendes Medium protestantischer Liturgie findet in Form einer kalligrafischen Wandzeitung seine materielle Präsenz. Leitsätze des Evangeliums, Sakramente, besondere Ereignisse des Kirchenjahres dürfen ihre unmittelbaren Spuren an den Wänden der Kirche hinterlassen. Die Informationen werden sich zu einer Atmosphäre verdichten, zu einem kollektiven Gedächtnis der Gemeinde werden.